Montag, 27. November 2017

Geburtstage


Von meinem achten Geburtstag existiert ein Tagebucheintrag: „Main [sic] liebes Tagebuch heute habe ich gelernt das [sic] Lautsein doof ist.“ Ich hatte mich in mein Zimmer eingesperrt, um mich vor der lauten Meute schreiender, tobender, Chaos verursachender Geburtstagsgäste zu verstecken. Mein Zimmer war dunkel, nur meine Lavalampe spendete schummriges Licht zum Schreiben. Die Welt war doof und Geburtstag zu haben war sowieso auch doof. Ich verstand die Menschen nicht. Warum mussten sie nur immer so viel Krach machen und so unkontrollierbar sein? Gefühlt rissen meine Geburtstagsgäste mir damals das Haus ab. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, damals in Tränen ausgebrochen zu sein, aber Berichten meiner Mutter zufolge musste sie wohl die Gäste deshalb irgendwann nach Hause schicken.

Ich wurde immer älter und meine Gäste immer weniger. Mit 16 lud ich nur noch drei Gäste ein, mit 18 nur noch einen Gast. Einerseits lag das daran, dass ich – wie so viele Aspies – recht unbeliebt in der Schule war und Probleme hatte, Freunde zu finden. Andererseits hatte ich den Freundschaften aber auch bereits abgeschworen – ganz nach dem Motto: „Ihr könnt mich nicht feuern, ich kündige!“ oder auch „Ihr könnt mich nicht nicht mögen wenn ich euch zuerst nicht mag!“. Außerdem hatte ich es satt, mich an gesellschaftliche Normen anzupassen. Warum sollte ich Partys feiern und mich betrinken, nur weil alle das taten? In diesem Punkt muss ich mein 16-jähriges Ich loben, es war wirklich ein Freigeist ;) Natürlich hatte das alles damals eher eine rebellische Seite als eine selbstfürsorgliche, aber immerhin.

Zum Zwecke dieser Selbstfürsorge habe ich ein paar Ratschläge zusammengestellt, wie man als Aspie seinen Geburtstag nicht nur überleben, sondern auch genießen kann.


1. Eine angenehme Anzahl Gäste
Diesen Punkt hatte ich an meinem achten Geburtstag wohl noch nicht so beachtet. Damals hatte ich zehn Kinder eingeladen, da mir beim Schreiben der Einladungen noch nicht so bewusst war, wie laut zehn Kinder sein konnten. Ich dachte einfach nur ach, mehr Kinder, mehr Geschenke und alle anderen laden ja auch immer so viele Leute ein, also mach ich das genauso. Falsch gedacht. Kurz darauf änderte sich diese Zahl zu der Anzahl an Gästen, die ich gerade so noch ertragen konnte. So war ich zwar vor Heulattacken geschützt, hatte aber dennoch nicht wirklich Spaß an der Party. Heutzutage weiß ich, dass für mich vier mir gut vertraute Gäste okay wären. Lieber feiere ich aber mit jeder Person einzeln. Da kann man sogar mehrmals Kuchen essen und an vielen Tagen im Jahr Geburtstag feiern! ;)

2. Eine ruhige Umgebung
Auch hier muss man vorher abwägen, womit man sich wohl fühlt. Welcher Ort zum Feiern okay ist, hängt bei mir von der Anzahl der Gäste ab. Habe ich nur einen Gast, ist es in Ordnung, auch mal raus an einen lauteren Ort zu gehen, da ich weiß, dass ich dem Gast jederzeit sagen kann, dass ich woanders hin will und weil ich mit weniger Gästen mehr Energie für die Umgebung frei habe. Mit mehr Gästen ist es umso wichtiger, zu wissen, in welcher Umgebung man sich auch für eine längere Zeit wohl fühlt – da würde ich zumindest mich nicht mehr so leicht trauen, zu sagen, dass ich genug habe. Deshalb würde ich mit mehreren Gästen entweder bei mir zu Hause etwas machen oder an andere ruhige Orte gehen. Spontan würde mir da Bowling einfallen oder einer dieser Räume, in dem man für eine Stunde bleibt, um ein Rätsel zu lösen. Manche Städte bieten am späten Abend auch sogenannte „Nachtwächtertouren“ an, bei denen die Gäste durch die Stadt geführt werden und schaurige Geschichten aus alten Zeiten erzählt bekommen. Irgendwann mach ich das mal. Also wenn ich reich bin und genug Energie und Freunde habe… Das kann also noch etwas dauern.

3. Ruheinseln drumherum
All diesen Selbstfürsorgetipps zum Trotz sind Geburtstage eine anstrengende Sache. Man muss ja nicht nur feiern, sich unterhalten und Spaß haben, sondern (zumindest als Erwachsener) alles auch noch planen, vorher putzen, Kuchen backen, Leute einladen und nebenbei auch noch zur Uni gehen. Um da nicht am Geburtstag in einen Overload, Meltdown, Shutdown oder sonstwie gearteten Stresszustand zu gelangen, versuche ich, mir den Tag vor und den Tag nach meinem Geburtstag so wenig wie möglich vollzupacken. Unihausaufgaben werden möglichst vorher erledigt oder müssen halt mal ausfallen. Außerdem wäge ich ab, welche Vorlesungen wirklich nötig sind und welche ich… naja, ihr wisst schon ;) Man muss halt Prioritäten setzen.


Am wichtigsten finde ich allerdings, nicht den Erwartungen anderer genügen zu wollen oder irgendwelche Dinge zu tun, nur weil „alle das machen“. Man hat ja schließlich Geburtstag und da sollte vorrangig man selbst Spaß haben und dann erst die anderen.


Alles Liebe

Traumfresserchen

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